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Interview mit Jonas Löher zur IfM Crowdinvestment Studie

„Der Großteil der Unternehmer zeigte sich im Rückblick zufrieden mit der Entscheidung, sich mithilfe der Crowd finanzieren zu lassen“

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Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn hat eine umfassende Crowdinvestment Studie veröffentlicht. Die Wissenschaftler haben 163 Finanzierungsrunden von 145 Unternehmen, die zwischen 2011 und 2014 gestartet wurden, über einen Zeitraum von 41 Monaten analysiert. Im Interview mit crowdfunding.de berichtet Jonas Löher über die Erkenntnisse der Untersuchung. Jonas Löher ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Mittelstandsforschung und beschäftigt sich vorrangig mit (Gründungs-)Finanzierungen.
Von Redaktion am 19. November 2015

crowdfunding.de: Für Ihre Studie haben Sie 163 Crowdinvestment-Finanzierungen analysiert. Wie hoch war die Bereitschaft der Plattformen Daten zu den einzelnen Fundings zur Verfügung zu stellen?

Jonas Löher: Unsere 163 Finanzierungsrunden umfassende Datenbank war ja nur ein Teil der Datenbasis unserer Studie. Darüber hinaus haben wir 45 crowdfinanzierte Unternehmen befragt, sowie intensive persönliche Interviews mit zahlreichen Plattformbetreibern geführt. Den Umgang mit den Plattformen haben wir dabei als größtenteils sehr transparent und angenehm wahrgenommen. An den Stellen, an denen uns Daten fehlten, haben wir diese von den Plattformbetreibern erhalten.

Warum haben sich die befragten Unternehmer für ein Crowdfunding entschieden und wie zufrieden waren diese rückblickend mit der Finanzierungsform?

Den Unternehmern war bei ihrer Entscheidung, Crowdinvesting zu nutzen, am wichtigsten, ihren Kapitalzufluss zu sichern. Das zweitwichtigste Motiv war ein nicht-monetärer Grund: Sie wollten für ihr Produkt bzw. ihre Dienstleistung beim Endkunden werben. Eine vergleichsweise geringe Bedeutung spielte hingegen die Unterstützung bei der Produktentwicklung oder mangelnde Finanzierungsalternativen. Oftmals standen den befragten Unternehmen zum Fundingzeitpunkt sogar mehrere alternative Finanzierungsoptionen zur Verfügung.

Der Großteil der Unternehmer zeigte sich im Rückblick zufrieden mit der Entscheidung, sich mithilfe der Crowd finanzieren zu lassen. Mehr als jeder dritte war sogar sehr zufrieden – nicht zuletzt, weil die Crowd oftmals deutlich mehr als den Mindestbetrag zur Realisierung des Vorhabens zur Verfügung gestellt hatte. Auch hatten die Unternehmer im Vorfeld eine realistische Einschätzung darüber, welche zusätzlichen Mehrwerte ihnen die Finanzierungsform bietet.

Für welche Unternehmen eignet sich nach Ihren Erkenntnissen eine Crowdfinanzierung?

Erfolgreiche Finanzierungsrunden wurden vor allem von jungen Wachstumsunternehmen durchgeführt. Wir haben jedoch auch festgestellt, dass die Unternehmen, die seit 2011 auf den Plattformen zugelassen wurden, zunehmend älter waren. Nach unseren Erkenntnissen ist Crowdinvesting daher derzeit vor allem für Unternehmen eine Option, die vor einem zeitnahen Markteintritt stehen oder den Markt durchdringen wollen.

Crowdinvesting und Anschlussfinanzierung ist ein vieldiskutiertes Thema. Welche Erkenntnisse bieten Ihre Studie zu dem Punkt?

Viele der finanzierten Unternehmen hatten bereits vor dem Kampagnenstart einen etablierten Eigenkapitalgeber an ihrer Seite. Fast die Hälfte der von uns befragten Unternehmen erhielt im Nachgang zum Crowdinvesting eine Anschlussfinanzierung durch einen Business Angel oder eine Venture Capital-Gesellschaft. Das Crowdinvesting harmoniert somit mit etablierten Finanzierungsformen und entwickelt sich daher zunehmend zu einer ernstzunehmenden zusätzlichen Alternative in der Finanzierungslandschaft. Dieser Eindruck wurde uns auch nochmals in intensiven Gesprächen mit einzelnen Unternehmen bestätigt.

Lassen sich aus Ihrer Studie Erkenntnisse ableiten, die man einem Startup mit Crowdfunding Plänen als Tipp auf den Weg geben kann?

Das Crowdinvesting eignet sich nicht für jede Art von Unternehmen. Die Plattformen haben einen harten Auswahlprozess, bei dem sie unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Für kapitalsuchende Unternehmen, die diesen Prozess erfolgreich durchlaufen gilt dabei: Mit zunehmender finanzieller Selbstbeteiligung der Unternehmer, erhöht sich auch das über Crowdinvesting erzielte Finanzierungsvolumen.

Zum Thema Crowdinvestment und Risiko: Wieviel Pleiten befinden sich unter den 163 untersuchten Finanzierungsrunden?

Anleger sollten darüber im Klaren sein, dass ihre Investitionen mit hohem Risiko verbunden sind. Es kann zum Totalverlust kommen. Bis zum Ende unseres Betrachtungszeitraums im März 2015 waren 17,1 % aller erfolgreich finanzierten Unternehmen nicht mehr am Markt aktiv. Zudem verfehlen 86,5 % der befragten Unternehmen ihre beim Fundingstart gestellten Umsatzprognosen. Ob die Rendite in einem ausgewogenen Verhältnis zum Risiko steht, werden zukünftige Studien erst zeigen müssen.

Vielen Dank für das Interview!

Download der kompletten Studie: Download
Webseite des IfM Bonn: www.ifm-bonn.org

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Autor
Redaktion
Datum
19. November 2015
Themen
Finanzierung, Mittelstand, Studie, Wissenschaft
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