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Interview mit einem Crowdinvestor - Teil 5

„Anfangs war Corona ein Schock für mich und ich hatte die schlimmsten Befürchtungen“

Seit Mitte 2017 berichtet der Crowdinvestor Gerhardt von seinen Erfahrungen. In seinem fünften Interview mit crowdfunding.de gibt er einen Einblick in die Zwischenbilanz seines Crowdinvest-Portfolios und berichtet von seinen Erfahrungen in Corona-Zeiten.
Von Redaktion am 26. April 2021

crowdfunding.de: In wie viele Crowdinvest-Projekte hast Du mittlerweile investiert? Wie ist lautet Deine aktuelle Zwischenbilanz?

Gerhardt: Es ist ganz schön was zusammengekommen. Beim Nachzählen war ich selbst etwas erstaunt. Von 463 Engagements laufen 231 ohne Störungen, 182 sind bereits zurückgezahlt, 46 sind verzögert oder gefährdet und 4 sind ausgefallen. Trotz der bisherigen Ausfälle und bisher leider auch ohne ein Projekt, das durch die Decke ging, konnte ich jedes Jahr mit einer positiven Rendite abschließen. Würden aber alle gefährdeten Projekte in 2021 komplett ausfallen, dann stünde am Schluss eine tiefrote Zahl.

Gibt es in Deinem Crowdinvest-Portfolio schon Corona bedingte Probleme?

Anfangs war Corona ein Schock für mich und ich hatte die schlimmsten Befürchtungen. Als dann eine Plattform sehr schnell reagierte und den Kreditnehmern Stundungen anbot, wenn sie Ausfälle auf Grund von Corona nachweisen konnten, war klar, dass das Ganze mit Sicherheit nicht spurlos an meinen Investments vorüber gehen würde. Erstaunlicherweise haben nur wenige Unternehmen dieses Stundungsangebot genutzt und fast alle haben ihre Zahlungen inzwischen wieder aufgenommen.

Vor allem bei Immobilien gibt es viele Verzögerungen. Oftmals musste die Bautätigkeit gestoppt werden, weil Lieferketten unterbrochen waren oder ausländische Arbeitskräfte nicht mehr einreisen durften. Oder es entstanden Verzögerungen, weil die Ämter keine Baugenehmigungen erteilen konnten. Meist war jedoch der Vertrieb betroffen, weil Besichtigungstermine schlichtweg nicht stattfinden konnten. Ich hoffe, das normalisiert sich in den nächsten Monaten.

Wie gut kannst Du mit Problemfällen und Ausfällen umgehen? Bist Du darauf innerlich vorbereitet oder haut Dich das jedes Mal wieder aus den Schuhen?

Crowdinvesting und Crowdfunding vermittelt Risikokapital. Bei jedem Projekt sind die Hinweise darauf unübersehbar und müssen explizit bestätigt werden. Es kann also niemanden unvorbereitet treffen. Wenn es da noch jemanden aus den Schuhen haut, der hat nichts begriffen und ist fehl am Platz.

Ich hatte lange Glück, aber irgendwann trifft es jeden. Jeder Ausfall tut weh, aber was haben wir gelernt? Diversifikation, Diversifikation und nochmal Diversifikation. Drum sind es auch bald 500 Projekte bei mir.

Investierst Du noch mit der gleichen Freude wie vor 5 Jahren, als wir unser erstes Interview gemacht haben?

Ganz ehrliche Antwort? Ja, mit ganzem Herzen. Inzwischen kennt man seine Pappenheimer und die Selektion hat Spuren hinterlassen. So mancher selbsternannte Marktführer ist aus meinem Portfolio verschwunden, während so manches Kellerkind zum Shootingstar geworden ist.

Gibt es Projekte, aus denen mehr als ein Investment geworden ist? Bist Du auch Kunde geworden?

Aber sicher. Im Laufe der Jahre hat sich einiges ergeben:

  • Ich habe ein Solar-Elektroauto reserviert.
  • Wir benutzen ausschließlich Toilettenpapier und Taschentücher aus Bambus.
  • Wir bestellen regelmäßig Bio-Nudeln.
  • Ich trinke leidenschaftlich gerne koffeinhaltigen Kakao…

Was braucht es Deiner Meinung nach im Crowdinvesting-Markt, damit sich dieser weiter etablieren kann?

Ich bin mir momentan nicht sicher, ob sich alles in die optimale Richtung bewegt. Es gibt einige große Plattformen, die geradezu marktschreierisch ihre Projekte anpreisen. Wenn du eine solche Seite öffnest, erschrickst du richtig. Völlig überladen, unübersichtlich, ohne echte Information.

Ich halte auch nichts davon, jedem das Gefühl geben zu wollen, er gehöre nun einem elitären Kreis von Business Angels an. Leute, da sind Welten zwischen euch und den echten Profis. Die Gefahr, dass Anfänger und Leichtgläubige blind diesen Gurus hinterherlaufen, ist groß. Das Kartenhaus hält bis zum ersten großen Ausfall. Und dann?

Aber es gibt sie auch, die übersichtlichen, transparent gestalteten Plattformen, wo du auch mal eine kritische Frage stellen kannst und die Antwort am Sonntagnachmittag vom CEO persönlich ins Postfach bekommst. Zukunft braucht Vertrauen. Und das können leider die wenigsten vermitteln.

Es wurde ein neuer einheitlicher Rechtrahmen für Crowdfunding in der EU geschaffen. Wirst Du zukünftig vermehrt in Projekte im europäischen Ausland investieren?

Ich bin schon in Auslandsprojekten investiert, vornehmlich in Österreich. Der kleine alpine Nachbar ist innovativer als viele wissen. Aber ich habe instinktiv die hochverzinsten Villenprojekte auf Mallorca gemieden und wenn ich die Preise auf dem Handelsplatz dieser Immobilienplattform ansehe, dann ist so manches Projekt alles andere als gesund.

Es werden mehr Auslandsprojekte kommen und sie werden zum Teil sehr hohe Renditen versprechen, aber sie werden auch ein sehr hohes Risiko in sich bergen. Vorsicht ist angesagt.

Als risikofreudiger Anleger kann man ja aktuell an den Aktienmärkten durch die Kursgewinne ganz gut Rendite machen. Mit dem Vorteil, dass man einzelne Investments innerhalb von Sekunden und mit ein paar Klicks wieder veräußern kann. Was macht für Dich den besonderen Reiz am Crowdinvesting aus?

Ganz einfach: die Nachvollziehbarkeit. Ich kann mir das Projekt in Ruhe ansehen, überlegt entscheiden und es mit Spannung nachverfolgen. Es kann positive und auch negative Überraschungen geben, aber für jede gibt es eine Erklärung.

Beim Echtzeit-Aktienhandel kann der Anleger unmöglich rational agieren. Aktienkursschwankungen entbehren doch schon im Normalbetrieb oft jeglicher Logik. Schnellentscheidungen aus dem Bauch heraus sind ein schlechter Ratgeber, finde ich. Die wunderbare Geldvermehrung aus der Werbung gibt es einfach nicht.

Was hast Du Dir in Bezug auf Crowdinvestments für das Jahr 2021 vorgenommen?

Ich hoffe, dass sich die Lage entspannt und Corona endlich in den Hintergrund tritt. So manche Verzögerung in den Projekten sollte sich dann in Rauch auflösen. Manche werden aber wohl leider auch in einer Insolvenz enden.

Ich werde weiter selektieren und die Zahl der Plattformen im Portfolio reduzieren. Einer meiner Gewinner in 2020 war übrigens eine ausländische Plattform, ohne Nachrangdarlehen, dafür mit eingeschränkt handelbaren „shares“. Spannung mit Risiko. 

Vielen Dank für die Auskünfte!

Anmerkung: Zwischen dem Crowdinvestor Gerhardt und der crowdfunding.de Redaktion besteht seit mehreren Jahren gelegentlicher Austausch per E-Mail und Telefon. Im Mai 2017 haben wir erstmals ein Interview geführt. Auf Wunsch von Gerhardt veröffentlichen wir das Interview nur mit seinem Vornamen.

Das Foto ist ein Symbolfoto / Fotocredit: Pexels

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Autor
Redaktion
Datum
26. April 2021
Themen
Investieren
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2 Kommentare

  • Herbert Schröder

    Hallo, wie bitte heißt die von Hr. Gerhardt angesprochene ausländische Plattform, ohne Nachrangdarlehen, dafür mit eingeschränkt handelbaren „shares“? Ich möchte mich auch zu den Projekten dieser Plattform informieren. Vielen Dank.

    Antworten
  • Interessanter Insight-Bericht, der leider keine Möglichkeit zur Diskussion bietet. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn Gerhardt / crowdfunding.de die Plattformen (positiv wie negativ) beim Namen genannt hätte.

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