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Psychofallen und Denkfehler beim Crowdinvesting

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Von Michel Harms am 02. November 2017

Frage: Ein Schläger und ein Ball kosten zusammen 1,10 Euro. Der Schläger kostet einen Euro mehr als der Ball. Wieviel kostet der Ball?

Die meisten Menschen beantworten diese Frage intuitiv mit 10 Cent. Ein klassischer Denkfehler. Die korrekte Antwort lautet 5 Cent. Verhaltensökonomen stellen diese Frage, um zu demonstrieren, dass Menschen sich oftmals von der eigenen Intuition fehlleiten lassen. In diesem Artikel geht es um mögliche Denkfehler beim Crowdinvesting.

Verhaltensökonomie

Bei der Verhaltensökonomie handelt es sich um ein verhältnismäßig neues Forschungsfeld. Sie ergänzt wirtschaftswissenschaftliche Modelle um die psychologischen Aspekte des menschlichen Verhaltens und stellt das Ideal des homo oeconomicus – dem rein rational handelnden Menschen – in Frage.

Daniel Kahneman, einer der bekanntesten Verhaltensökonomen, veröffentlichte 2011 den Bestseller „Schnelles Denken, langsames Denken“. Zentrales Thema des Buches ist die Unterscheidung zwischen zwei Arten des Denkens: einem schnellen, instinktiven und emotionalen System und einem langsameren, durchdenkenden und logischeren System. Kognitive Verzerrungen im Denken vom ersten System führen demnach oftmals zu irrationalen Handlungen.

kahnemann denken

Auch im Finanzbereich handeln die Marktteilnehmer nicht immer rational. Verhaltensökonomen sehen hier eine Ursache für das Entstehen von Spekulationsblasen und Finanzkrisen.

 

Fünf Denkfehler beim Crowdinvesting
Die folgende Zusammenstellung möglicher Denkfehler beim Crowdinvesting ist inspiriert von der Literatur der Verhaltensökonomen und Beobachtungen auf dem Crowdinvestment-Markt. Die einzelnen Punkte sollen Anregungen zum Nachdenken geben, erheben aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit.

Denkfehler 1: „Blind dem Schwarm folgen“

herdenverhalten
Mitschwimmen

Von Herdenverhalten spricht man, wenn Anleger der Meinung sind, dass andere Anleger über bessere Informationen als sie selbst verfügen und sie sich deshalb diesen anschließen. Bezogen auf Crowdinvesting bedeutet dies, dass Anleger ihre Anlageentscheidung von der aktuellen „Schwarmgröße“ abhängig machen.

Sollte es sich bei den frühen Investoren tatsächlich um gut informierte Anleger handeln, kann man von Schwarmintelligenz sprechen. Verlassen kann man sich darauf allerdings nicht.

 

Eigenverantwortliche Entscheidungen bilden die Grundlage von Crowdinvestments.

Denkfehler 2: „Besser als Tagesgeld“

unpassende referenz
Äpfel Birnen

Im Vergleich zum Tagesgeld können die möglichen, höheren Zinsen beim Crowdinvestment vielen Anlegern als attraktivere Anlageklasse erscheinen. Die Risikoprofile sind allerdings nicht vergleichbar.

Crowdinvestments unterliegen im Gegensatz zu Tages- oder Festgeldanlagen nicht der gesetzlichen Einlagensicherung. Beim Crowdinvesting besteht das Risiko des Totalverlustes.

 

Beim Vergleich der Zinsniveaus verschiedener Anlageklassen sind die unterschiedlichen Risikoprofile zu beachten.

Denkfehler 3: „Bislang ist alles doch gut gegangen“

induktives denken
Der schwarze Schwan

Beim induktiven Denken wird aus Einzelfällen eine allgemeine Gesetzmäßigkeit gefolgert.

Bei der Betrachtung der bisherigen Crowdinvesting-Historie kann man nicht schlussfolgern, dass sich diese im gleichem Maß fortsetzt. Daten über bisherige Rückzahlungen und Ausfälle stellen keine Prognose für künftige Entwicklungen dar.

 

Jedes Crowdinvestment-Projekt ist unter dem Aspekt der Chancen und Risiken individuell neu zu bewerten.

Denkfehler 4: „Mit Startups-Investments macht man Millionen“

Survivorship bias
Sichtbarkeit

Als „Survivorship Bias“ wird ein Fehlschluss bezeichnet, bei dem die Erfolgsaussichten überschätzt werden, da erfolgreiche „Überlebende“ im Alltag eine größere Sichtbarkeit erzeugen als erfolglose „Verstorbene“.

Erfolgreiche Startups-Stories haben meistens eine hohe Öffentlichkeitswirksamkeit. Die gescheiterten Startups stellen dagegen meist still und unbemerkt den Betrieb ein.

 

Es gibt mehr Startups, die Pleite gehen, als Startups, die wirklich erfolgreich sind.

Denkfehler 5: „Immobilieninvestments sind sicher“

Falsche Assotiation
Betongold

Der Erwerb einer Immobilie gilt grundsätzlich als sichere Anlageform. Man spricht auch von Betongold, da Immobilien Wertstabilität wie Gold nachgesagt wird.

Beim Immobilien-Crowdinvesting vergeben Anleger meist ein Darlehen an einzelne Projektentwicklungsgesellschaften. Es handelt sich dabei um unternehmerische Investitionen, die vom Risiko völlig anders zu bewerten sind als der (Teil-)Erwerb einer Immobilie.

 

Beim Immo-Crowdinvesting wird kein Immobilieneigentum erworben, sondern Darlehen werden vergeben.

Geringe Crowdinvesting Beteiligung – ein weiterer „Denkfehler“?

Eine aktuelle Umfrage der Verbraucherzentrale Hessen im Rahmen des Projekts „Marktwächter Finanzen“ hat ergeben, dass nur zwei Prozent der Befragten per Crowdinvesting investiert. Gefragt nach dem Risiko, gaben 39 Prozent der Befragten an, dass sie diese Art der Geldanlage für sehr riskant oder riskant halten. Eine Erklärung für die geringe Beteilung könnte in einer weiteren, von Kahneman identifizierten, irrationalen Handlungsweise liegen: Verlustaversion.

„Als Verlustaversion bezeichnet man in der Psychologie und Ökonomie die Tendenz, Verluste höher zu gewichten als Gewinne. Eine wichtige Erkenntnis dieser Theorie ist, dass sich Individuen in Entscheidungssituationen irrational verhalten, wenn Unsicherheiten eine Rolle spielen.“ (Definition Wikipedia)

Sein Geld aus Angst vor Verlusten unter dem Kopfkissen zu parken, statt es aktiv in den Wirtschaftskreislauf zu investieren und dort arbeiten zu lassen, kann also auch ein Denkfehler sein.  „Verabschieden Sie sich vom Nullrisiko. Lernen Sie damit zu leben, dass nichts sicher ist […]“, sagt Rolf Dobelli in seinem Buch „Die Kunst des klaren Denkens“.

Qualifizierte Anleger und verständliche Produkte

Crowdinvestments sind nur für Anleger geeignet, die sich der Risiken voll bewusst sind, eigenverantwortlich Entscheidungen treffen und mit Unsicherheiten umgehen können. Damit Crowdinvestoren die projektbezogenen Risiken tatsächlich selbst gut einschätzen können, braucht es verständliche und einfach strukturierte Investmentmöglichkeiten. Also Angebote, die das Denksystem 2 gut verarbeiten kann, um zu einer rational begründeten Entscheidung gelangen zu können.

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Michel Harms

Michel Harms

Herausgeber
crowdfunding.de
Michel Harms ist der Herausgeber von crowdfunding.de. Mit der Seite möchte er eine unabhängige Plattform bieten, die umfassend zum Thema informiert und den Crowdfunding Gedanken weiter trägt. Er glaubt an die potentialsentfaltende Wirkung von Crowdfunding und den positiven Einfluss auf die Gesellschaft und Wirtschaft.
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Michel Harms
Datum
02. November 2017
Themen
Investieren, Verbraucherschutz
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