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Interview zur 100sten Startup-Fundingrunde

Seedmatch: „Spannende Veränderungen stehen unmittelbar bevor“

Seedmatch Geschaeftsfuehrung
Seedmatch hat 2011 Startup-Crowdfunding in Deutschland gestartet. Im August 2017 knackte die hunderste Seedmatch-Fundingrunde erfolgreich die Fundingschwelle. Ein paar Wochen zuvor fand ein Wechsel in der Geschäftsführung statt. Gründer Jens-Uwe Sauer zieht sich aus dem operativen Geschäft zurück und bleibt als Gesellschafter an Bord. Ein Gespräch mit den neuen Geschäftsführern Johannes Ranscht (Foto links) und Stefan Flinspach (Foto rechts).
Von Redaktion am 10. September 2017

crowdfunding.de: Herzlichen Glückwunsch zur 100sten erfolgreichen Crowdinvesting-Runde! War es einfacher Crowdinvestoren für das erste Startup-Projekt in 2011 oder für das hundertste Projekt in 2017 zu begeistern?

Johannes Ranscht: Jedes Funding bringt seine neuen Herausforderungen. 2011 war alles neu und wir mussten neben einem Funding das noch gänzlich unbekannte Investmentmodell erklären und bewerben. Heute ist Crowdfunding in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Allerdings müssen wir nun im Vergleich zum Wettbewerb und anderen Produkten im Crowdfunding überzeugen. Es ist nie wirklich einfach, aber immer spannend.

Der deutsche Startup-Crowdinvesting-Markt entwickelt sich aktuell nur recht moderat. Wo seht Ihr die Gründe?

Johannes Ranscht: Ein Grund ist die negative Berichterstattung: Fehlschläge hallen in den Medien deutlich länger nach als die Erfolge. Ein weiterer Grund ist das zunehmende Interesse von großen Unternehmen an Startups. Konzerne wollen durch Accelerator, Hubs oder direkte Beteiligungen frühzeitig das Know-how und die Innovationen an sich binden. Also Potenziale schöpfen, die sie intern nur mit viel Mühe, Kosten und Zeit heben könnten. Wir sehen es als ein positives Zeichen: Endlich haben Innovationen und Entrepreneurs eine wirkliche Chance in Deutschland. In Deutschland zu gründen wird attraktiver. Davon profitieren schlussendlich auch wir und unsere Investoren.

Selbst für Profis, also Business Angels und VCs, ist es ziemlich schwierig mit Investments in Startups Geld zu verdienen. Hand aufs Herz: Glaubt ihr, dass Startups für Kleinanleger eine rentierliche Anlageklasse darstellen können?

Johannes Ranscht: Absolut. Wer regelmäßig in Seedmatch-Startups investiert – sprich unsere empfohlene Portfoliostrategie verfolgt – kann sein Geld erfolgreich mehren. Business Angels und VC’s gibt es bereits deutlich länger in Deutschland als private Crowdinvestoren. Sie haben damit auch mehr Erfahrungen sammeln können. Wundert es dich nicht, dass diese Großinvestoren immer noch dabei sind und immer mehr in dieses Geschäft einsteigen? Das macht doch niemand, der damit kein Geld verdienen kann.

Unter den 100 Funding-Runden bei Seedmatch befinden sich auch Startups, bei denen nicht alles optimal gelaufen ist. Wie z.B. die Vibewrite-Pleite, die zu großer Enttäuschung bei der Crowd geführt hat. Was sind Eure Learnings aus den 100 Investmentrunden?

Johannes Ranscht: Bewusst investieren bedeutet für mich, Risiken zu bewerten und danach zu handeln. Wer sich sein Urteil allein anhand von Einzelbeispielen bildet, wird der Sache nicht gerecht. Wir arbeiten daher auch an Produkten, die es einem Investor ermöglichen, sein Portfolio noch breiter aufzustellen.

Die Investments laufen bei Eurer Plattform über Nachrangdarlehen. Aus der Investoren-Crowd kommt immer wieder Kritik, dass dies kein wirklicher Ersatz für ein Equity-Investment ist. Andere Plattformen haben SPV-Modelle entwickelt oder bieten eine Lifetime-Beteiligung an. Wie steht Ihr zum Nachrangdarlehen? Seht Ihr Alternativen?

Stefan Flinspach: SPV-Modelle täuschen meines Erachtens die Investoren über die Nachrangigkeit ihres Darlehens hinweg. Zudem sind die Anleger auf die Informationspolitik eines SPV-Geschäftsführers angewiesen. Wem aus der Crowd soll also diese Ehre zukommen? Auch Lifetime-Beteiligungen sind und bleiben nachrangig. Aktieninvestments sehen wir nicht wirklich als Alternative zum partiarischen Nachrangdarlehen. Sie bieten keinen wirksamen Schutz vor unvorhersehbaren Einzelereignissen. Deshalb entscheiden sich viele für einen Aktienfond und streuen das Risiko für Ausfälle. Auch unseren Crowd-Investoren empfehlen wir bei jeder Gelegenheit die Portfoliostrategie.

Anfang Juni habt Ihr die Führung von Seedmatch übernommen. Was waren die Gründe für den Wechsel an der Spitze und wie teilt Ihr Euch die Verantwortlichkeiten?

Stefan Flinspach: Mit der Trennung der Gesellschafter- und Geschäftsführer-Funktionen konnten die Expertisen neu gebündelt und ausgebaut werden. Unternehmensnachfolge ist ein elementares und viel zu oft vernachlässigtes Thema. Dem wollten wir mit der Auflösung der Personalunion bei Jens-Uwe Sauer, einer Doppelspitze und der Bindung des jeweiligen Know-hows an der optimalen Stelle des Unternehmens begegnen.

Johannes Ranscht: Auch wenn es immer wieder sinnvolle Verzahnungen geben wird, wird sich Stefan hauptsächlich um die strategische Weiterentwicklung kümmern, während ich das operative Geschäft und die Umsetzung unserer Unternehmensziele verantworte.

Mittlerweile scheint es gesellschaftlicher Konsens, dass Deutschland innovative Startup-Initiativen braucht, um den digitalen Wandel zu bewältigen und zukunftsfähig zu bleiben. Fühlt Ihr die Pionierleistung, die Ihr mit Seedmatch erbracht habt – also die Demokratisierung der Startup-Finanzierung in Deutschland – genügend von der Politik gewertschätzt? Was würdet Ihr Euch von der Politik wünschen?

Johannes Ranscht: Mit Seedmatch waren wir 2011 absolute Vorreiter und haben Crowdinvesting erfolgreich etablieren können. Das ging auch ganz ohne politischen Auftrag oder Unterstützung. Also warum sollte man uns danken? Der Staat kann zwar die Rahmenbedingungen für innovative Gründungen positiv verändern, indem er beispielsweise bürokratische Hürden abbaut. Aber den digitalen Wandel leisten seine Bürger.

Auf Eurer Plattform Mezzany habt ihr 2015 erfolgreich ein Immobilienprojekt platziert. Der Markt für Immobilien-Crowdinvesting entwickelt sich seitdem rasant. Warum nehmt Ihr nicht an diesen Entwicklungen der letzten 2 Jahre teil?

Stefan Flinspach: Auf Mezzany emittierten wir Wertpapiere. Auch damit sind wir Vorreiter. Das unterscheidet uns von den aktuellen Immobilien-Crowdfundings, die auf dem Geschäft des partiarischen Nachrangdarlehens basieren. Aktuell sondieren wir interessante Immobilienprojekte, die den Anforderungen unserer Crowdbonds entsprechen. Auch hier leben wir unser Credo ‘Klasse statt Masse’. Aber bis zum nächsten Projekt wird es noch etwas dauern.

Was sind Eure Pläne für Zukunft? Neue Vertragsmodelle? Immobilien? Internationalisierung? Blockchain-Technologie?

Stefan Flinspach: Das werden wir dir und deinen Leser gerne verraten, wenn es soweit ist. [lacht] Aber so viel kann ich schon verraten: Spannende Veränderungen stehen unmittelbar bevor.

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für die nächsten 100 Startups!

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Autor
Redaktion
Datum
10. September 2017
Themen
Plattform, Startup
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