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Interview mit Helge Michael

Main Funders – Crowdlending-Plattform der Commerzbank

Commerzbank crowdlending interview
Mitte 2016 ist mit Main Funders die erste Crowdlending-Plattform einer deutschen Großbank live gegangen. Im Interview berichtet Projektleiter Helge Michael über die Entwicklungsarbeit, die Ziele der Plattform und gibt ein erstes Resümee.
Von Redaktion am 17. Januar 2017

crowdfunding.de: Wie kam es dazu, dass die Commerzbank eine Crowdfunding-Plattform gestartet hat? Auftrag vom Vorstand oder Bottom-up Initiative?

Helge Michael: Im main incubator (Startup-Inkubator der Commerzbank / Anm. d. Red.) beobachten wir permanent neue Entwicklungen und Trends im Bereich der FinTechs. Wir bringen auch eigene Ideen ein, die in Company Building Projekten umgesetzt werden. Main Funders war daher eine Bottom-up Initiative, wir haben der Commerzbank den Vorschlag gemacht, eine eigene Peer-to-Peer-Lending-Plattform zu entwickeln und dazu ein Konzept erarbeitet.

Helge Michael
Helge Michael Projektleiter

Daraufhin hat die Bank uns beauftragt dieses Projekt zu realisieren und die vollständige Anwendung sowie die erforderlichen Prozesse zu entwickeln. Dabei hatten wir stets Zugriff auf die zahlreichen Experten innerhalb der Bank. In enger Zusammenarbeit mit dem Mutterkonzern und einem externen Software-Partner wurde die Plattform vollständig und neu entwickelt.

Wäre nicht auch eine Kooperation oder die Übernahme einer bestehenden Lending-Plattform denkbar gewesen, statt einer komplett neu Eigenentwicklung?

Selbstverständlich haben wir zu Beginn des Projektes unsere Optionen abgewogen. Ziel war es die Plattform vollständig in die bestehende Systemlandschaft der Commerzbank zu integrieren, daher war die eigene Entwicklung der bessere Weg. Ein weiterer relevanter Grund für unsere Entscheidung war es, dass es keine Lending-Plattform auf dem Markt gibt, die Volumina in der Höhe anbietet, wie wir es machen.

Welche Kreditvolumen sind denn möglich und an wen wendet sich das Angebot?

Main Funders wendet sich an bestehende Firmenkunden der Commerzbank. Kunden mit einem Finanzierungsbedarf in Höhe von 200.000 Euro bis 10 Millionen Euro können ihr Vorhaben professionellen Kunden der Commerzbank auf der Plattform vorstellen. Investoren können diese Vorhaben finanzieren.

Was sind die Vorteile für die Kunden, wenn sie den Weg über die Plattform wählen?

In Zeiten hoher Investitionsbedarfe z.B. durch Industrie 4.0, Digitalisierung und wandelnde Geschäftsmodelle, bekommen über Main Funders Unternehmen heute, einfache, schnelle und flexible Finanzierungslösungen. Kreditsuchende Kunden sind durch Main Funders unabhängiger von einem Finanzierungspartner und haben die Chance ihren Finanzierungsmix zu diversifizieren. Investoren bietet Main Funders eine alternative Anlageform und attraktive Renditen, in Anbetracht der niedrigen bzw. negativen Zinsphase. Im Vergleich zu anderen Plattformen differenziert sich Main Funders ganz klar: Dadurch, dass die Darlehensnehmer und Investoren Kunden der Bank sind, ist eine Vertrauensbasis vorhanden und eine höhere Vertraulichkeit gewährleistet. Durch die Volumina, die über Main Funders angeboten werden, lassen sich auch größere Darlehensprojekte anbieten. Das Mindestinvestitionsvolumen zielt auf Bedürfnisse professioneller Investoren ab.

Wie wird das neue Angebot angenommen? Können Sie sagen, wieviel Kapital schon vermittelt wurde?

Das Interesse an unserem Peer-to-Peer-Lending Angebot ist groß. Allerdings machen wir prinzipiell keine Zahlenangaben zum Geschäft.

Auf welche Reaktionen stößt Main Funders innerhalb der Commerzbank? Immerhin hat eine solche Plattform das Potential die klassische Kreditvergabe – also das Stammgeschäft einer Bank – zu kannibalisieren.

Sicherlich gibt es auch innerhalb der Bank Bedenken, ob ein solches Geschäftsmodell funktionieren kann – das ist ganz klar. Grundsätzlich aber, wird Main Funders mehrheitlich positiv gesehen. Es zeigt nämlich, dass die Bank in der Lage ist, in kurzer Zeit, ein neues digitales Geschäftsmodell aufzubauen und somit auf wandelnden Herausforderungen sowie veränderte Kundenbedürfnisse einzugehen.

Wie sieht denn der Business-Case für Main Funders aus? Nehmen Sie, wie die anderen Crowdlending-Plattformen, eine prozentuale Vermittlungsgebühr?

Ja, Darlehensnehmer zahlen eine Nutzungsvergütung bis ein Jahr Laufzeit in Höhe von 0,45% des initialen Kreditbetrags, ab einem Jahr zahlen Sie 0,45% des initialen Kreditbetrags mal Laufzeitjahre. Investoren hingegen zahlen eine Plattform Nutzungsvergütung in Höhe von 0,20% p.a. auf den ausstehenden Darlehensbetrag und eine Servicevergütung in Höhe von 0,10 % p.a. auf den ausstehenden Darlehensbetrag.

Inwieweit werden die präsentierten Kreditanfragen auf ihre Bonität und Ausfallrisiken geprüft?

Aufbauend auf bestehenden Prozessen und Erfahrungen mit unseren Kunden, bewerten unsere Bankexperten im Hintergrund von Main Funders die Bonität, die Kapitaldienstfähigkeit und die Ausfallrisiken für jedes Darlehensprojekt.

Die Risiken werden beim Crowdlending komplett an die Kreditgeber ausgelagert. Sind sich Ihre kreditgebenden Kunden ausreichend über die Ausfallrisiken bewusst und befürchten Sie einem Imageschaden, falls es zu größeren Ausfällen kommen sollte?

Bei Main Funders kommen lediglich professionelle Kunden als Investoren in Frage, die die Risiken von Teildarlehensforderungen kennen und verstehen. Außerdem weisen wir alle interessierte Investoren darauf hin, dass es zu einem Totalausfall ihrer Investition kommen könnte.

Main Funders beschränkt sich aktuell auf Crowdlending für bestehende Kunden der Commerzbank. Könnten Sie sich vorstellen die Plattform für weitere Crowdfunding- Angebote zu öffnen, wie z.B. Crowdinvesting für Startups und Immobilien oder P2P-Kredite für Privatmenschen?

Definitiv denken wir über weitere Crowdlending Angebote interessiert nach, möchten allerdings noch keine Details über unsere Pläne verraten.

„Bald wird jedes Geldinstitut der Welt Crowdfunding anbieten“, so eine Aussage von dem Gründer der US Crowdfunding-Plattform Indiegogo aus dem Januar 2014. Wie ist Ihre Prognose? Werden die anderen Banken in den nächsten Jahren nachziehen und Crowdfunding-Angebote schaffen?

Betrachtet man den Finanzierungsmarkt in Deutschland, wird schnell deutlich, dass der Crowdfunding-Markt im Vergleich zum klassischen Finanzierungsmarkt immer noch sehr klein ist. In absehbarer Zeit werden in Deutschland voraussichtlich nur wenige Banken eine eigene Crowdfunding-Plattform aufbauen. Dass wirklich jedes Geldinstitut eine eigene Plattform anbieten wird, bezweifeln wir.

Vielen Dank für das Interview!

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Autor
Redaktion
Datum
17. Januar 2017
Themen
Banken, Fintech, Plattform
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